Deutschland und auch Niedersachsen haben einen Fachkräftemangel, der sich in den kommenden Jahren noch weiter verschärfen wird, wenn nicht endlich gegengesteuert wird. Dieser Fachkräftemangel betrifft nicht nur Sozialberufe und das Handwerk. Junge und gut ausgebildete Fachkräfte fehlen fast überall in der Arbeitswelt. Das gesamtgesellschaftliche Ziel sollte es also sein, dass möglichst viele junge Menschen erfolgreich eine Ausbildung oder ein Studium absolvieren können. Trotzdem sehen wir, dass Jugendlichen bereits zu Beginn ihres Karrierewegs Steine in den Weg gelegt werden. An den Hochschulen und Universitäten macht sich dies zuallererst bei den zulassungsbeschränkten Studiengängen bemerkbar. Diese Zulassungsbeschränkungen führen dazu, dass nicht jeder Jugendliche das Studium seiner Wahl antreten kann. Traurige Ironie ist, dass dies auch auf Studiengänge zutrifft, bei denen auf dem Arbeitsmarkt ebenfalls ein Fachkräftemangel herrscht, wie z. B. das Medizinstudium.

Das Bundesverfassungsgericht hat am 19. Dezember 2017 geurteilt, dass die Zulassungsbeschränkung in Form des Numerus Clausus im Fach Medizin nur bedingt mit dem Grundrecht auf eine freie Ausbildungswahl vereinbar sei. Auch die Liberalen Hochschulgruppen Niedersachsen halten den Numerus Clausus als einziges Kriterium im Zulassungsverfahren bei der Studienplatzvergabe für ungeeignet. Die Auswahl von für ein Studium geeigneten Bewerbern allein hinsichtlich der Abiturnote zu treffen, entspricht aus unserer Sicht nicht unbedingt dem Leistungsprinzip, da der Numerus Clausus nur wenig Aussagekraft über die Eignung für einen bestimmten Studiengang oder die Fähigkeit zum wissenschaftlichen Arbeiten besitzt.

Unser Ziel ist es, möglichst vielen Jugendlichen ein zu ihnen passendes und erfolgreiches Studium zu ermöglichen. Hierzu halten wir eine Verbesserung der Studienplatzvergabe und eine Reform des Zulassungsverfahrens für notwendig.

Im Rahmen einer solchen Reform fordern die Liberalen Hochschulgruppen Niedersachsen die bundesweite Einführung eines Seminarfachs oder eines vergleichbaren Angebotes in der Sekundarstufe II des Bildungssystems. Die Teilnahme an einem solchen Seminarfach soll Voraussetzung für die Aufnahme eines Studiums sein. Dabei soll gelten:

  • Die fachliche Ausrichtung des Faches ist frei wählbar und unabhängig vom nach dem Abschluss angestrebten Studium.
  • Ziel des Seminarfaches soll es sein, junge Menschen in fachwissenschaftliche Inhalte und wissenschaftliche Methoden einzuführen sowie allgemeine wissenschaftliche Denk- und Arbeitsweisen zu vermitteln, um sie so auf ein fachwissenschaftliches Studium vorzubereiten.
  • Am Ende soll eine mehrere Seiten umfassende wissenschaftliche Seminararbeit stehen.

Dadurch erhoffen wir uns, mehr junge Menschen zu einem Studium zu befähigen. Die Vermittlung von Techniken wissenschaftlichen Arbeitens, die in vielen Studiengängen zu den Pflichtmodulen in den ersten Semestern gehört, soll so dem eigentlichen Studium bereits vorweggenommen werden. Angehende Studierende sollen schon vor Aufnahme eines Studiums auf wissenschaftliches Arbeiten vorbereitet werden.

Die Liberalen Hochschulgruppen Niedersachsen fordern weiterhin die Abschaffung des Numerus Clausus als alleiniges Kriterium bei der Studienplatzvergabe von zulassungsbeschränkten Studiengängen. Stattdessen sollen in Zukunft während des Zulassungsverfahrens an allen Hochschulen und Universitäten mehrere unterschiedliche Kriterien berücksichtigt werden. Zu diesen verbindlichen Kriterien sollen gehören:

  • die individuelle Abiturnote
  • die Note im Seminarfach / in der Seminararbeit
  • Vorkenntnisse (z. B. abgeschlossene Ausbildung, absolvierte Praktika usw.)
  • standardisierte Eignungstests

Daneben sollen Hochschulen und Universitäten außerdem die Möglichkeit besitzen, freiwillig weitere Kriterien für die Studienplatzvergabe bei zulassungsbeschränkten Studiengängen zur Hilfe zu nehmen. Hierzu gehören:

  • Noten in für den Studiengang relevanten Fächern
  • Empfehlungen
  • Motivationsschreiben
  • Auswahlgespräch
  • ehrenamtliches Engagement

Die Gewichtung der verpflichtenden Kriterien soll dabei in gleichen Teilen stattfinden. Wie die Hochschulen und Universitäten die möglichen freiwilligen Kriterien gewichten, bleibt ihnen selbst überlassen. Sie dürfen dabei aber nicht stärker ins Gewicht fallen als die verbindlichen Kriterien.