Über 20 Jahre nach der Bologna-Reform im tertiären Bildungssektor und im Hochschulwesen allgemein ist es nicht nur Zeit, Bilanz zu ziehen, sondern auch Zeit, die Maßnahmen der Reform zu überarbeiten, anzupassen und neue hinzuzufügen.
Kern der Reform war der Umstieg auf das gestufte Studiensystem, die Orientierung an der Beschäftigungsbefähigung, die Beschleunigung des Studiums, die Vergleichbarkeit von Abschlüssen, Modulen und erbrachten Leistungen sowie die Mobilität zwischen europäischen Studienstandorten. All diese Ziele wurden und werden noch immer umgesetzt. Vieles hat sich gut etabliert, etabliert sich weiterhin oder weist gute Entwicklungen auf.
An folgenden Punkten sehen wir, die Liberalen Hochschulgruppen Niedersachsen, allerdings Handlungsbedarf:
Besserer und einfacherer Zugang zum Masterstudium:
Das mehrstufige Studiensystem darf keinesfalls dazu führen, dass am Weiterstudium Interessierte und wissbegierige Bachelor-Absolvent(inn)en keinen Masterstudienplatz bekommen. Klar ist, dass nicht jede(r) Bachelor-Absolvent(in) im unmittelbaren Anschluss an das Bachelorstudium einen Anspruch auf einen Masterstudienplatz haben kann. Jedoch wird bei vielen Masterstudiengängen lediglich auf die Bachelornote gesetzt. Hier fordern wir eine bessere und vielfältigere Regelung, sodass mehr Studierenden der Zugang zum Masterstudium ermöglicht wird.
Vereinfachung der Weiterbildung:
Oft wird noch in die zu simple Zweiteilung des Lebens – Lernphase und anschließende Arbeitsphase – unterteilt. Viel zu oft werden Masterstudiengänge klar einer Phase zugeteilt. Hier sollten Rahmenmöglichkeiten geschaffen werden, die im Masterstudium unterstützend Berufspraxis mit dem wissenschaftlichen Lernen verzahnen. Flexiblere Zeiten, Teilzeitstudium oder auch berufsbegleitende Studiengänge sollten ausgebaut werden, um lebenslanges Lernen zu fördern. Durch Maßnahmen wie z. B. das berufsbegleitende Studium würde eine Beschleunigung des Studiums an Bedeutung verlieren.
Einführung eines freiwilligen Studienorientierungsjahres:
Gerade in der Frühphase des Studiums brechen viele Studienanfänger(innen) ihr Studium ab. Seit der Einführung der mehrstufigen Studienstruktur sinkt zwar die Abbruchquote in den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, jedoch steigt sie in den Natur- und Ingenieurwissenschaften weiter an. Wir fordern deswegen ein freiwilliges Studienorientierungsjahr, welches jungen Menschen Einblicke in verschiedene Bereiche geben kann, jedoch auch die Möglichkeit bieten soll, vereinzelt vorher Leistungspunkte zu erwerben (beispielsweise in methodischen Modulen).
Nachschulische Bildung:
Wir fordern eine stärkere Verzahnung von akademischer und beruflicher Bildung. Dies sollte die Beschäftigungsfähigkeit weiter voranbringen.
Europäische Universitäten:
Wir, die Liberalen Hochschulgruppen Niedersachsen, unterstützen den Vorschlag von Frankreichs Präsident Macron, der die Einführung und Etablierung von Europa-Universitäten vorsieht. Die Förderung dieses Projekts von einzelnen EU-Mitgliedsstaaten und der Europäischen Union ist grundsätzlich gut, reicht jedoch nicht aus, um das Projekt vollständig umzusetzen. Wir fordern, dass die Europäische Union die Initiative „Europäische Hochschulen“ vollständig im Rahmen des Erasmus+-Projekts umsetzt und das Budget auf mindestens 120 Millionen Euro aufstockt.
Die Liberalen Hochschulgruppen Niedersachsen sind der Überzeugung, dass die Bologna-Reform einen klaren Mehrwert für ein geeintes Europa bietet. In Zeiten von Populismus und Nationalstaatsdenken setzt dies richtige Impulse, eine Generation junger Europäer(innen) zu schaffen.